NOVÝ JIČÍN, Tschechien
Nový Jičín liegt in unmittelbarer Nähe der Beskiden, ein etwa 600 km langer und 50-70 Kilometer breiter Gebirgsbogen, der sich über Polen bis in die Ukraine erstreckt. Die Landschaft zwischen den Beskiden - Vorgebirge und dem flachen Odergebiet war früher als Kuhländchen bekannt.
Die Kreisstadt Nový Jičín blickt auf eine fast 700-jährige Geschichte zurück. Dank ihrem einmaligen, Denkmal geschützten und liebevoll restaurierten Marktplatz im Renaissance Stil wird sie als die „Perle“ Mährens bezeichnet.
Im Zentrum befindet sich das Zerotiner Schloss, ein Renaissance-Palast aus dem 16. Jahrhundert, der für die Familie von Zerotin gebaut, aber bereits im Jahr 1558 wieder verlassen wurde. Heute sind hier die regionale Museumsverwaltung sowie das städtische Museum mit einer großen Sammlung von Hüten untergebracht.
Weitere Sehenswürdigkeiten sind das Beskiden-Theater, 1885/86 von Otto Thienemann erbaut, und die Allerheiligste Dreieinigkeitskirche sowie die Spanische Kapelle.
Seit Mai 2012 gehört Nový Jičín offiziell zu unseren Partnerstädten. Die Rathauschefs Jaroslav Dvorak aus Nový Jičín und Ludwigsburgs Oberbürgermeister Werner Spec haben am 19. Mai 2012 bei einem Festakt die Partnerschaftsurkunde unterschrieben. Die beiden Rathauschefs trafen sich zwei Monate später auch in Tschechien zum festlichen Gegenbesuch.
Die deutsche Vergangenheit
Ludwigsburg verbindet viel mit Nový Jičín. 1962 hat Ludwigsburg die Patenschaft für die rund 100.000 vertriebenen Deutschen aus dem Kuhländchen in Nordmähren übernommen, dessen Hauptstadt vor dem Krieg die Stadt Neutitschein, heute Nový Jičín, war. Im Stuttgarter Torhaus befindet sich das Archiv der Kuhländler, das die deutsche Vergangenheit von Nový Jičín aufzeigt.
- zum Archiv der Kuhländler
Als nach dem Fall der Mauer die Reisebedingungen in den Osten erleichtert wurden, besuchten viele Kuhländler ihre alte Heimat und nahmen Beziehungen zu den Bewohnern der mittlerweile tschechischen Stadt Nový Jičín und den umliegenden Dörfern auf.
In den 45 Jahren des Sozialismus, unter der Hegemonie der Sowjetunion, waren sämtliche Spuren der Deutschen entfernt worden. Nichts sollte darauf hindeuten, dass in diesem Landstrich, aus dem so bedeutende Wissenschaftler und Künstler wie Siegmund Freud, Gregor Mendel und Joseph von Eichendorff hervorgegangen waren, einst vorwiegend Deutsche gelebt hatten.
Nun aber war der Weg für eine fruchtbare Zusammenarbeit von Tschechen und Kuhländlern frei: Zuerst wurden die alten Kirchen, Brunnen und Friedhöfe in den kleineren Orten um Nový Jičín herum restauriert, dann das Barockschlösschen Kunizyn (früher Schloss Kunewald), das völlig heruntergekommen war und zeitweise als Quartier für die rote Armee gedient hatte.
Als Tschechien im Mai 2004 als neuer Mitgliedstaat in die EU aufgenommen wurde, bemühte sich die Stadtverwaltung von Nový Jičín sehr, die Brücken zu nutzen, die die Kuhländler für sie nach Ludwigsburg gebaut hatten. Nicht nur die alte europäische Tradition, Geschichte und Kultur musste neu erschlossen, auch der Anschluss an das moderne Europa bewältigt werden: Auf allen Gebieten gab es Nachholbedarf, überall war der Austausch mit den westeuropäischen Partner hilfreich und willkommen. Jede Gelegenheit, sich mit den Ludwigsburgern auszutauschen, ergriff Nový Jičín dankbar.
Kontakt und Informationen zur Stadt
2019: Antrittsbesuch von Bürgermeister Stanislav Kopecky aus Nový Jičín in Ludwigsburg
Der im November 2018 neu gewählte Bürgermeister Stanislav Kopecky trat seinen Antrittsbesuch in Ludwigsburg im Rahmen der Stadtgründungsfeier an. Für ihn wurde ein Stadterkundungsprogramm erstellt, um ihm die Sehenswürdigkeiten und die wichtigsten Institution von Ludwigsburg zu zeigen. Höhepunkte des Aufenthalts waren das Eröffnungskonzert der Schlossfestspiele, die Stadtgründungsfeier, bei der sein Vorgänger Altbürgermeister Pawel Wessely mit der Bürgermedaille geehrt wurde, sowie zum Abschluss des Aufenthalts die Afrika-Gala im Ratskeller.
Im Austausch mit seinem Amtskollegen Bürgermeister Michael Ilk wurden viele gemeinsame Herausforderungen festgestellt. Kopecky, der vor seiner Wahl zum Bürgermeister bereits das Amt für Verkehr in Nový Jičín geleitet hatte, möchte vor allem die Verkehrsprobleme dort lösen. Auf seiner Agenda stehen deshalb die Erhöhung der Frequenz der Verkehrslinien des städtischen Personennahverkehrs und die schrittweise Einführung smarter Technologien in die Stadt. Aber auch die Förderung des Wohnungsbaus und die Verbesserung der Müllentsorgung sind ihm wichtige Ziele.
2019: Pawel Wessely erhält die Bürgermedaille
Pawel Wessel war von 1994 – 2002 Bürgermeister von Nový Jičín und dann 2005 erneut für 15 Monate Vizebürgermeister. In seiner Amtszeit widmete sich Wessely neben dem Alltagsgeschäft in erster Linie zwei großen Themen: Der Aussöhnung mit den Deutschen und der Restaurierung der historischen Altstadt, weshalb er 2006 den Vorsitz der Kommission für Denkmalschutz übernahm.
Als Sohn eines deutschen Vaters und einer tschechischen Mutter ist Wessely dafür wie kein anderer prädestiniert. Er beherrscht beide Sprachen und hat Zugang zu beiden Kulturen. Konsequent lässt er die großen deutschen Söhne der Stadt, die von 1945 bis 1990 aus dem öffentlichen Raum verbannt wurden, nach dem Mauerfall wieder auferstehen. Aus Sigmund Freuds Geburtshaus, im Nachbarort von Nový Jičín, entsteht ein Museum, genau wie aus dem völlig verfallenen Geburtshaus von Gregor Mendel, dem Begründer der Vererbungslehre. Auch den deutschen Malern wie Anton Kolig, Eduard Veith oder den beiden Bildhauern, Barwig dem Älteren und Barwig dem Jüngeren wendet er sich zu und lässt sie in Büchern, Broschüren und Gedenktafeln wieder aufleben. Dem Mercedes-Museum gibt er wertvolle Hinweise zu dem legendären Rennleiter Alfred Neubauer, dem eine Ausstellung mit Katalog in Nový Jičín gewidmet wird. Auch das Lapidarium auf dem Friedhof von Nový Jičín, wo er deutsche und tschechische Denkmäler zur Erinnerung an die deutsche Vergangenheit der Stadt aufstellen lässt, geht auf seine Initiative zurück. In seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vereins „Landsleute und Freunde von Nový Jičín “, ein Amt, das er seit 2003 innehat, organisiert er Reisen – natürlich am liebsten nach Ludwigsburg - Ausstellungen und Vorträge für Mitglieder des Vereins und die Bürger der Stadt.
Die Bürgermedaille wird ihm für seine Verdienste um die Versöhnung zwischen den ehemaligen deutschen Bewohnern der Stadt Nový Jičín, den Kuhländlern, und den heutigen tschechischen Bewohnern, verliehen. Die guten Beziehungen, die er zwischen den Verwaltungen und den Bewohnern der beiden Städte Ludwigsburg und Nový Jičín aufgebaut hat, hatten ein solides Fundament für die Gründung einer Städtepartnerschaft im Jahr 2012 gebildet.
2015: Jubiläum "70 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs"
2015 besuchte eine Delegation der Stadtverwaltung Ludwigsburg die tschechische Stadt Nový Jičín besucht. Ludwigsburgs jüngste Partnerstadt hatte zum Stadtfest eingeladen.
Im Bild (von links nach rechts)
Oldriška Navratilova (Kulturamt Nový Jičín), Zora Kudelkova (Übersetzerin), Heike Grüß (Leiterin des Fachbereichs Bildende Kunst an der Kunstschule Labyrinth), Jaroslav Dvorak (Bürgermeister Nový Jičín), Wiebke Richert (Leiterin des Fachbereichs Kunst und Kultur), Werner Spec (damaliger Oberbürgermeister der Stadt Ludwigsburg), Robert Nitzsche (Leiter des Fachbereiches Organisation und Personal), Simon Karzel (Stadtarchivar).
Einen Tag vor dem Stadtfest eröffnete Oberbürgermeister Werner Spec die Ausstellung „Mann und Hut“ von Heike Grüß im Ausstellungszentrum „Alte Post“.
Heike Grüß hatte für die Ausstellung, die Bezug auf die berühmte Hutfabrik in Nový Jičín nimmt, sowohl Neues entworfen als auch ältere Werke in die „Alte Post“ gebracht.
Militärhistorische Aufführungen
Das Stadtfest hatte das Jubiläum „70 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs“ zum Thema. Teil der Feierlichkeiten waren daher mehrere militärhistorische Aufführungen, bei denen Szenen des Zweiten Weltkriegs aufwändig nachgespielt wurden. Es folgte ein farbenfroher Umzug mit zahlreichen historischen Kostümen auf dem arkadengesäumten Marktplatz von Nový Jičín.
Fest mit europäischen Freunden
Auch Delegationen Nový Jičíns anderer Partnerstädte aus Frankreich, Italien, Polen und der Slowakei sowie aus dem deutschen Görlitz waren zum Stadtfest angereist. Gemeinsam mit den Delegationsleitern der anderen Partnerstädte wurde Oberbürgermeister Werner Spec in einem Oldtimer der Marke Tatra über den Marktplatz gefahren und richtete ein Grußwort an die Bürgerinnen und Bürger. Spec unterstrich die große Bedeutung, die das zusammenwachsende Europa hat und brachte seine Freude zum Ausdruck, gemeinsam mit den europäischen Freunden das Stadtfest zu feiern.
Die herzliche Einladung durch die Stadtverwaltung Nový Jičín wurde durch ein feierliches Abendessen im Hotel Praha und einen anschließenden Empfang im Rathaus abgerundet, wo sich die Mitglieder der unterschiedlichen Delegationen über Erfahrungen aus ihren heimatlichen Verwaltungen austauschen konnten.
2013: Ludwigsburger beim Stadtfest in Novy Jicin
Über vier Tage vom 5. bis 8. September 2013 erstreckte sich das anspruchsvolle Programm, das die Stadt Novy Jicin anlässlich des 700-jährigen Jubiläums für ihre Bürger und die vielen Gäste aus dem Ausland aufgeboten hatte.
Angereist waren Delegationen aus allen Partnerstädten Novy Jicins, dem polnischen Swietochlowice, dem slowakischen Kremnica, dem französischen Épinal, aus Görlitz, der deutschen Partnerstadt aus sozialistischen Zeiten, sowie der Bürgermeister aus dem befreundeten Malsch bei Heidelberg. Mit dabei war auch eine große Abordnung der Kuhländler, der vertriebenen deutschen Bewohner der Stadt Novy Jicin, die mit zwei Bussen angereist kamen, um an der Feier teilnehmen zu können.
Ausstellungen im Schloss Zerotin und Kunewald
Den Auftakt des Besuchs bildete die Eröffnung der Ausstellung „700 Jahre Novy Jicin“, die am 5. September in den Räumen des Zerotiner Schlosses stattfand. Hier bot sich dem Besucher eine Vielzahl von Urkunden, zum Teil erst kürzlich restauriert, anhand derer die wechselhafte Geschichte der Stadt rekonstruiert wurde. Viele Originaldokumente sind allerdings in den Feuerbrünsten und Kriegen verloren gegangen.
Novy Jicin wurde im Jahr 1313 ein Mautrecht von König Johann von Luxemberg verliehen - das steht fest, wenngleich das entsprechende Dokument, zuletzt gesichtet vom bedeutendsten Historiker der Stadt, Dr. Josef Beck, heute verschwunden ist. Es existierte 1854 noch, als Josef Beck sein Standardwerk „Die Geschichte der Stadt Novy Jicin“ verfasste und aus dieser Urkunde zitierte. Ein schöner Zufall, dass sich die vermutlich letzte Originalausgabe dieses Buches in Deutschland in einem Hamburger Antiquariat auffinden ließ und von der Ludwigsburger Delegation als Gastgeschenk überreicht werden konnte.
Oberbürgermeister Spec, der als Vertreter der Partnerstädte bei dieser Eröffnung ein Grußwort sprach, betonte mit Hinblick auf die schweren Zeiten, die die deutschen und tschechischen Bewohner der Stadt durch die beiden Weltkriege und die Vertreibung erleben mussten, „dass wir die Vergangenheit nicht ändern können, aber die Zukunft in der Hand haben und gemeinsam dafür sorgen können, dass es eine gute Zukunft wird“.
Die Ausstellung über den österreichischen Feldmarschall Gideon Ernst von Laudon (1717-1790), der in Novy Jicin verstorben ist, und über Kardinal Leo von Skrebensky (1863 -1938), im Nachbarort Hausdorf geboren, wurde am 8. September im barocken Schlösschen Kunewald eröffnet.
Rekonstruktion der Schlacht von Neutitschein 1621
Weiterer Teil des Festprogramms war die künstlerische Rekonstruktion „des furchtbaren Gemetzels in Neutitschein anno 1621" am 6. September. In dieser Schlacht während des Dreißigjährigen Krieges (1618-48) bekämpften sich Truppen der kaisertreuen katholischen Liga und der protestantischen Union.
Die Rekonstruktion der Schlacht fand auf einem Gelände am Stadtrand von Novy Jicin statt, zahlreiche historische Vereine beteiligten sich daran, und hunderte Darsteller zu Pferde und zu Fuß stellten mit originalen Kanonen den Ansturm auf die Stadtmauern nach.
Stadtfest mit Künstlergruppen und Feuerwerk
Am 7. September erlebte das Jubiläum im Rahmen des traditionellen Stadtfestes den Höhepunkt: Auf dem großen Stadtplatz, im Schloss und auf dem alten Bastions-Turm boten zahlreiche Händler und Künstlergruppen aus vielen Ländern den Einwohnern von Novy Jicin und den Besuchern ein buntes Schauspiel.
Aus Ludwigsburg waren die barocke Kostümgruppe Bellissima und die Gruppe „Die Geyers“ dabei, die mit Musik der Renaissance und des Mittelalters ihr Publikum begeisterten. Star des Abends war die Sängerin Lucie Bílá mit der Petr-Malásek-Band. Eine Lasershow auf dem Rathaus und das festliche Feuerwerk setzten den fulminanten Abschluss.
2012: Festlich die Partnerschaft in beiden Städten besiegelt
Ludwigsburgs Oberbürgermeister Werner Spec und sein Kollege Jaroslav Dvorak aus Novy Jicin haben am 19. Mai 2012 bei einem Festakt die Partnerschaftsurkunde unterschrieben. Bei der Feier waren auch die Bürgermeister von Ludwigsburgs anderen Partnerstädten zugegen. Nach Montbéliard (Frankreich), Caerphilly (Wales), Jevpatorija (Ukraine) und St. Charles (USA) ist Novy Jicin die fünfte Partnerstadt Ludwigsburgs.
Die beiden Rathauschefs trafen sich dann zwei Monate später in Novy Jicin wieder: Beim offiziellen Gegenbesuch wurde die Städtepartnerschaft dort noch einmal festlich besiegelt - und in aller Freundschaft gemeinsam die Glocke geläutet. Zwanzig Ludwigsburger hatten sich vom 20. bis 22. Juli ins 800 Kilometer entfernte Novy Jicin aufgemacht. Vertreter des Gemeinderats, der Verwaltung und der Ludwigsburger Kuhländler zählten zur Delegation wie auch das Fagott-Ensemble der städtischen Musikschule.