Stadtschreiberstipendium Ludwigsburg

Das Stadtschreiberstipendium ermöglicht es einem Autor oder einer Autorin für mehrere Monate in Ludwigsburg Inspirationen zu sammeln und ein literarisches Werk zu erstellen.

Stadtschreiberin 2024: Lucia Leidenfrost

Orte erzählen: Ein literarischer Audiowalk mit Stadtschreiberin Lucia Leidenfrost

Entdecken Sie Ludwigsburg durch die poetischen Kurztexte von Lucia Leidenfrost. Sie begegnete der Stadt mit offenen Augen und spürte dabei Grenzen und versteckte Geschichten auf. Lauschen Sie diesen Eindrücken und erleben Sie Ludwigsburg aus neuen Perspektiven.

Über die Stadtschreiberin

©Horst Dömötör

Ludwigsburg bekommt 2024 eine neue Stadtschreiberin. Mit der Förderung der Wüstenrot Stiftung wurde das Stipendium erneut in einem eingeschränkten Verfahren ausgelobt. Die Schriftstellerin Lucia Leidenfrost wird 2024 als vierte Autorin den Titel „Ludwigsburger Stadtschreiberin“ tragen und im Frühjahr und Sommer mehrere Wochen in der Barockstadt zu Gast sein. Das von ihr erarbeitete Werk wird im Rahmen des Ludwigsburger Literaturfestivals WORT WELTEN, das vom 11. bis 13. Oktober 2024 stattfindet, präsentiert.

Die 1990 in Frankenmarkt (Österreich) geborene Schriftstellerin wurde von einer Fachjury aus neun vorgeschlagenen Autor*innen nominiert. Neben der erkennbar großen Bereitschaft, sich mit der Stadt Ludwigsburg auseinanderzusetzen, wurden auch der Zugang zum nächstjährigen Leitthema sowie die literarische Qualität der Werke bewertet.

Lucia Leidenfrost kommt ursprünglich aus Österreich und lebt als Schriftstellerin, Theaterpädagogin und Lehrerin in Baden-Württemberg. Sie erhielt zahlreiche Literaturstipendien und -preise, unter anderem das Literaturstipendium des Landes Baden-Württemberg 2020 oder das Projektstipendium des Kultusministeriums Österreichs (2022). Als Co-Gründerin des Kollektivs für Junge Literatur Mannheim, das Schreibwerkstätten durchführt und Literatur sichtbar und hörbar macht, ist es ihr ein Anliegen, Literatur niederschwellig zugänglich zu machen. Außerdem engagiert sie sich bei den „Other Writers need to concentrate“, die sich mit den Arbeitsbedingungen von Autor*innen mit Kindern beschäftigen. Ihr Prosadebüt „Mir ist die Zunge so schwer“ ist im Frühjahr 2017 erschienen. 2020 veröffentlichte sie ihren ersten Roman „Wir verlassenen Kinder“.

Jurybegründung

„Lucia Leidenfrosts Neugier auf die Situationen von Menschen diesseits präsentabler Schablonen sowie ihre Fähigkeit, diese feinfühlig und gekonnt zu vermitteln, verheißt für ihr Amt als Ludwigsburger Stadtschreiberin die Chance einer Begegnung, durch die auch die sonst überhörten oder übertönten Stimmen, die übersehenen Details, die nicht wahrgenommenen Situationen dieser Stadt Beachtung finden könnten. Für ihren Aufenthalt ist zu erwarten, dass die Autorin und ausgebildete Theaterpädagogin in sensibler Weise ein Forum schaffen wird, in dessen Rahmen auch die oft übersehenen Menschen und Themen eine Rolle spielen dürfen – etwa im Rahmen von Settings im Geiste des „Theaters der Unterdrückten“ von Augusto Boal.“

So die Begründung der eigens einberufenen Jury, bestehend aus:

Stadtschreiber 2022: Tucké Royale

Fotografin: Paula Winkler

Der Berliner Autor Tucké Royale war 2022 als dritte Person „Ludwigsburger Stadtschreiber“. Mit der Förderung der Wüstenrot Stiftung wurde nach 2018 und 2020 erneut das Stipendium in einem eingeschränkten Verfahren ausgelobt. Tucké Royale war im Frühjahr und Sommer 2022 mehrere Wochen in der Barockstadt zu Gast sein und hat mit unterschiedlichen Institutionen, Vereinen und Personen der Stadtgesellschaft gesprochen und Ludwigsburg aus verschiedenen Perspektiven kennengelernt.

Dabei hat er Ludwigsburger Impressionen aus der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gesammelt und diese in einem Kaleidoskop gebündelt: Unter welchen Umständen nahm die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung der Nationalsozialistischen Verbrechen mit ihrer Gründung 1958 ihre Arbeit auf? Wie sah der Arbeitsalltag der jungen Staatsanwälte aus, die Mitte der 60er Jahre in der Schorndorfer Straße Akten durchsahen? Was lässt sich über die Todesnacht vom 18. Oktober 1977 in Stammheim im Staatsarchiv Ludwigsburg herausfinden? Der Stadtschreiber hat Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sowie Archive befragt, sich fußläufig in Ludwigsburg und Umgebung umgesehen und in Form von Journaleinträgen die kritische Auseinandersetzung mit verschiedenen historischen Stoffen, aber auch seiner eigenen Anwesenheit in der Stadt untersucht.

Als performative Lesung wurden die Texte und Passagen des Stadtschreibers abschließend von vier Studierenden der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg am 23. Oktober 2022 in der Karlskaserne aufgeführt.

Der 1984 in Quedlinburg geborene Künstler wurde von einer Fachjury aus fünf vorgeschlagenen Autorinnen und Autoren nominiert. Neben der erkennbar großen Bereitschaft, sich mit der Stadt Ludwigsburg auseinanderzusetzen, wurden auch der Zugang zum diesjährigen Leitthema sowie die literarische Qualität der Werke bewertet.

Tucké Royale arbeitet als Autor, Regisseur, Musiker und Schauspieler. Er studierte Judaistik an der Freien Universität Berlin und Puppenspielkunst an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Seine Solo-Stücke „Tucké Royale“ und „Ich beiße mir auf die Zunge und frühstücke den Belag, den meine Rabeneltern mir hinterließen“ wurden international gezeigt. 2015 inaugurierte Royale den Zentralrat der Asozialen in Deutschland und tritt seitdem als dessen Erster Sprecher für die NS-Verfolgten ein. Gemeinsam mit Hans Unstern und Black Cracker gründete Royale „2016 Boiband“. Er schreibt Texte für Theater (unter anderem für das Maxim Gorki Theater in Berlin), aber auch für Film, in denen er wie im queeren Heimatfilm NEUBAU selbst auch die Hauptrolle übernimmt. Das Hörspiel „The revolution will be injected“, eine molekulare Revolution von Orlando de Boekens, Tucké Royale und Hans Unstern, eine Produktion von Deutschlandfunk Kultur, wurde im Mai 2020 Hörspiel des Monats.

Jurybegründung

Tucké Royale gehört zu jenen Künstler*innen, die in keine Kategorie einzuordnen sind zwischen Performance, Theater, Film, Autor, Mann, Frau beschäftigen ihn vor allem Räume und Zeiten, manchmal auch Dissonanzen, in Stadt und Land, in menschlicher Kommunikation. Er kundschaftet dabei festgelegte Kategorien aus, ohne sie zu werten oder gar abzustempeln. Er sucht vielmehr neue Kontextualisierungen, beschreibend, sich Zeit nehmend, in Ruhe beobachtend, ob in seinem Film “NEUBAU“ oder in seiner Performance “Zentralrat der Asozialen“. Er baut damit Hemmschwellen ab, reduziert schamvolle Blicke und ermöglicht dadurch ganz neue und unterschiedliche Zugänge zu den unterschiedlichsten Themen. Kunst wird hier ein Feld der Recherche, der Beobachtung, eine Möglichkeit des Miteinanders. Tucké Royale schafft Hör- und Sichtbarmachung von marginalisierten Stimmen, sucht inklusive und partizipative Teilhabe, ist grundsätzlich bemüht, subjektive Perspektiven aufzuzeigen, die nicht privat, sondern auf das Gesellschaftliche verweisen.

Als Stadtschreiber von Ludwigsburg ist zu erwarten, dass er bezüglich der Thematik ´Neue Gemeinschaften/Digitale Narrative` nicht über sich schreibt, sondern vielmehr ausloten möchte, was in der analogen Welt an Teilhabe nur marginal möglich ist, im digitalen Raum aber neue Chancen hat, der Selbstbestimmung einen erweiterten Raum zu geben und auch Fragen zu stellen, ob der digitale Raum zwangsläufig unbedingt Beschleunigung bedeutet und nicht vielmehr auch für Entspannung sorgen kann. Im Dialog mit der Bevölkerung wird er das Verhältnis der Mikro/Makro-Welt im analogen wie digitalen Raum erkunden und in neue Narrative vorstoßen, die durchaus auch protechnologisch abgewogen werden.

Wir freuen uns, dass Tucké Royale neue*r Stadtschreiber*in ist und damit neue Wege des Literarischen und seiner vielfältigen Möglichkeiten aufzeigen wird. Eine tatsächliche Bereicherung.

So die Begründung der eigens einberufenen Jury, bestehend aus:

Stadtschreiberin 2020: Ebru Nihan Celkan

Eine Frau mittleren Alters mit kurzen Haaren sitzt in einem Stuhl vor einer grünen Wand.
Foto: Aydan Çinar
Ein Baum mit roten Wurzeln.
Illustration: Julia Klenovsky

Ebru Nihan Celkan trug als zweite Autorin den Titel „Ludwigsburger Stadtschreiberin“ und war im Sommer und Herbst 2020 für mehrere Wochen in der Barockstadt zu Gast. Die 1979 in Adana geborene türkische Autorin wurde von einer Fachjury aus acht vorgeschlagenen Autorinnen und Autoren nominiert. Neben der erkennbar großen Bereitschaft, sich mit der Stadt Ludwigsburg auseinanderzusetzen, wurden auch die literarische Qualität und die Stärke der künstlerischen Haltung bewertet.

Während ihres Aufenthalts als Stadtschreiberin in Ludwigsburg hat sie mit Vielen gesprochen – Menschen, die seit Generationen hier leben oder erst vor kurzem hier angekommen sind. Aus den Interviews ist der Text "Der Weltschmerz" in türkischer Sprache entstanden, der in 14 Kapiteln abwechselnd aus Perspektive der Stadtschreiberin und der ihrer Interviewpartnerinnen einen neuen Blick auf Ludwigsburg eröffnet.
Die deutsche Übersetzung des Textes stammt von Oliver Kontny, der bereits mehrere Theaterstücke der Autorin ins Deutsche übersetzt hat. Die Gestaltung des Buchcovers hat Julia Klenovsky übernommen, die 2021 auf der Shortlist des „Förderpreises für junge Buchgestaltung 2021“ der Stiftung Buchkunst stand.

Der Text kann in deutscher und türkischer Sprache als PDF heruntergeladen werden:

Neben ihrer Tätigkeit als Autorin und Dramatikerin unterrichtet sie dramatisches und performatives Schreiben an verschiedenen Universitäten und leitet Workshops zu den Themen Geschlechtergerechtigkeit und Diversität. Darüber hinaus schreibt sie seit 2014 für die türkische Tageszeitung Evrensel. In ihren Stücken setzt sie sich mit der urbanen Gesellschaft, deren Tabus und Missständen auseinander.

Jurybegründung

Die türkische Autorin, Dramatikerin und Darstellerin versucht mit ihren Werken, anschaulich die gesellschaftlichen Konfliktsituationen zwischen Verantwortung und Aufbruch zu beschreiben.
Ihre gesellschaftlichen Analysen beeindrucken. Wie sieht der ‚andere‘ Blick auf unsere Gesellschaft aus? Was können wir darüber erfahren? Das war ausschlaggebend für die Wahl eines ungewöhnlichen neuen Schreibtalents, das gerade Sehnsucht und Eskapismus ausloten muss, um der politischen Situation eine künstlerische Haltung entgegenzubringen und uns einen Spiegel vorzuhalten.

Celkan ist mittlerweile eine gefragte Autorin: Derzeit arbeitet sie für das Gorki Theater in Berlin, ihr letztes Stück wurde am Schauspiel Stuttgart uraufgeführt, sie war Stipendiatin an der Akademie Schloss Solitude – sie kennt das Land Baden-Württemberg.

Ihre Eindrücke und ihre Auseinandersetzung mit der Stadt Ludwigsburg bergen die Chance, verschiedene Kulturen, die in dieser Stadt miteinander leben, zu beobachten und uns einen sicher differenzierten, gleichwohl emotionalen Blick ‚von außen‘ zu ermöglichen.

So die Begründung der eigenes einberufenen Jury, bestehend aus:

Stadtschreiberin 2018: Rike Scheffler

Mit Rike Scheffler konnte 2018 eine Berliner Lyrikerin, Performerin und Künstlerin gewonnen werden, eine schöne Reminiszenz an Ludwigsburgs berühmtesten Schriftsteller, dem Lyriker Eduard Mörike. Sie war im Mai und Juni des Jahres mehrere Wochen zu Gast in Ludwigsburg und hat die Stadt und ihre Bewohner aus literarischer Perspektive betrachtet.

Scheffler ließ sich von Ludwigsburg, den Menschen, der besonderen Stadtgeschichte und Orten wie dem Residenzschloss und Märchengarten, dem Marktplatz, der Karlskaserne, der Weststadt und dem MIK inspirieren. So entstand ein vielstimmiges Soundstück, das seinen Ausgangspunkt in einem Remix der Dekrete und Aufrufe Herzog Eberhard Ludwigs findet – ein „Looppoem“ wie Scheffler es nennt, darüber was es heißt, gerade durch ein stetiges, demokratisches „Stadt Werden!“ vielfältige und weltoffene Stadt zu sein.

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